Canto & Gesto

Referenzen

[ Zeitungsartikel | Interview ]
 
Barocke Schauspielkunst wieder zum Leben erwecken (Köln-Bonner Musikkalender)
Nicht nur die Musik, sondern auch die Gestik und Bewegungen der Akteure auf der Bühne möchte Mathias Knuth wieder getreu den historischen Vorbildern lebendig werden lassen. Mit befreundeten Künstlern hat er vor einiger Zeit das Ensemble „Canto & Gesto“ gegründet, das diese Idee in die Tat unsetzt. Anläßlich einer bevorstehenden Aufführung in Bonn sprachen wir mit dem jungen Sänger-Darsteller.
MK: Sie haben - zusammen mit einigen Freunden - ein Ensemble gegründet, das sich der möglichst originalgetreuen Darstellung älterer Musik widmet, und zwar nicht nur in klanglicher, sondern auch optischer Hinsicht; wie ist das zu verstehen?
K: Bei den heute üblichen Aufführungen barocker Opern widmet man sich mit großer Sorgfalt der historischen Aufführungspraxis in musikalischer Hinsicht. Dem Geschehen auf der Bühne kann man jedoch auch eine stilistisch korrekte Form geben. Gerade das, was optisch auf einer Bühne der Barockzeit geschah, war einem strengen Reglement unterworfen, und es gibt zahlreiche historische Berichte und Zeugnisse darüber, um auch die Szene wieder so zu gestalten zu können, wie es damals ausgesehen hat. Dazu reicht es aber keineswegs, die Sänger in historische Kostüme zu stecken, sondern sie müssen sich auch so auf der Bühne bewegen, wie es seinerzeit üblich war.
MK: Es erscheint allerdings auch merkwürdig, dass beispielsweise in der Bonner Oper barockes Musiktheater mit um ein historisches Klangbild bemühten Musikern geboten wird, auf der Bühne aber ein höchst „modernes“ Regiekonzept umgesetzt wird. Auge und Ohr driften hier offenbar total auseinander...
K: Es bleibt ja jedem Regisseur unbenommen, „seine“ Sicht einer Barockoper zu präsentieren. In Bezug auf das Bühnengeschehen ist eine solche Inszenierung jedoch anachronistisch. Musik-„Theater“ besteht aus Klang und Geste, und deshalb haben wir unsere Gruppe auch „Canto & Gesto“ genannt.
MK: Das erscheint im Grunde ja naheliegend; dennoch wirkt ihre Idee neuartig. Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen?
K: Im Laufe meines Gesangsstudiums habe ich bei einem Meisterkurs der Internationalen Händel-Akademie in Karlsruhe die barocke Schauspielkunst kennengelernt. Dort brachte uns das Wiener Dozentenpaar Margit Legaler und Dar. Reinhold Kubik die Grundlagen dieser Bewegungskunst nahe. Danach habe ich weitere Kurse bei den beiden besucht. Wir arbeiteten nach verschiedenen Quellen. Ein wichtiges Lehrbuch für uns wurde von Glibbert Austin 1806 veröffentlicht und heißt in der 1818 erschienenen Übersetzung von Christian Friedrich Michaelis „Die Kunst der rednerischen und theatralischen Declamation“. Hier werden umfangreiche Empfehlungen und Regeln für die Bewegungen der Schauspieler gegeben und auch bildlich dargestellt. Es gibt auch eine Art „choreographische Kurzschrift“, mit der Körperhaltung, Blickrichtung und Bewegung des Schauspielers auf der Bühne exakt beschrieben werden können. Mit Hilfe dieses Lehrbuches wurden übrigens auch Juristen, Politiker und Geistliche ausgebildet. Die Regeln der barocken Schauspielkunst wurden noch bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts an den Bühnen angewendet.
MK: Heute läuft die Schauspielkunst ja Gefahr, am Diktat eigenwilliger Regisseure zu verkommen. Ich nehme an, dass die meisten Vertreter dieser Zunft Ihre „Entdeckung“ kaum begrüßen würden, oder?
K: Das mag sein, wenngleich ich keineswegs einer sinnvoll auf das Werk konzentrierten Regie ihr Lebensrecht bestreiten möchte. Wir wollen jedoch zeigen, wie die Musik zusammen mit den authentischen Bewegungen eine besondere Einheit bildet. Die Komponisten hatten natürlich beim Komponieren die Schauspieler vor Augen. Die von uns dargestellte Gesamtheit entwickelt daher schon einen ganz besonderen Reiz.
MK: Wer hat denn bei Ihrem Programm Regie geführt?
K: Ein Teil der Szenen ist in der Kursarbeit mit unseren schon erwähnten Lehrern entstanden. Wir haben jedoch als fortgeschrittene Schüler auch selbständig Choreographien erarbeitet.
MK: Und wie sieht das Programm aus?
K: Ausgehend von unseren Studien in der Händel-Akademie Karlsruhe haben wir ein reines Händel-Programm zusammengestellt. Passend zu unserer kammermusikalischen Besetzung bringen wir Ausschnitte aus Opern und Kantaten des Komponisten, so einen größeren Teil der Kantate „Apollo e Dafne“ und die Bass-Kantate „Dalla guerra amorosa“; von daher leitet sich auch das Motto des ganzen Programmes ab: „Vom Kampf mit der Liebe“.
MK: Eine Aufführung braucht aber auch Kulissen ...
K: Ein einfaches Bühnenbild dazu habe ich selber hergestellt. Es wurde von der Malerin MAF Räderscheid im Stil der Zeit gestaltet. Wir können es zusammenklappen und im Auto bequem verstauen. Außerdem verfügen wir auch über stilistisch passende Kostüme.
MK: Sie leben seit einiger Zeit in Bonn, wo es die Kultur zur Zeit, allen Beteuerungen der Politiker zum Trotz, gar nicht so leicht hat ...
K: Ich denke, dass die gegenwärtige Situation des Umbruchs auch vielerlei Chancen bietet. Meine berufliche Tätigkeit steht auf zwei Säulen. Neben meinen Aktivitäten als Sänger betreibe ich in Bonn-Kessenich ein Unterrichtsstudio für Gesangsunterricht und Funktionale Stimmbildung. Was den Erfolg unseres Ensembles betrifft, mache ich mir aufgrund der überall schwierigen finanziellen Situation schon etwas Sorgen. Wir wollen uns über das Bespielen kleinerer Bühnen zunächst bekannter machen und hoffen, viele Zuhörer für unsere Arbeit zu begeistern. Wir sind offen und dankbar für Anregungen und Hinweise in Bezug auf neue Auftrittsmöglichkeiten. Am besten paßt ein solches Programm natürlich in ein historisches Gebäude.
MK: Wann können wir „Canto & Gesto“ demnächst in Aktion erleben?
K: Unser nächster Auftritt ist am Sonntag, den 16. März, um 18 Uhr im Bonner Wohnstift „Augustinum“.

Köln-Bonner Musikkalender, Ausgabe März 2003

 
© 2002 Jo Schneider Mediengestaltung maxxmedia.de info@maxxmedia.de